24. März 2022 

„Ich bin mir selbst wichtig“

“Ich hab noch Leben” – Mit diesem authentischen Blog zum Thema Krebs, teilweise von Patientinnen und Patienten selbst aufgeschrieben, möchten wir Mut machen und verschiedene Wege zurück ins Leben aufzeigen. Denn eines haben wir von den Betroffenen gelernt: Das Leben ist immer lebenswert.

Diese Geschichte ist eine von vielen unserer onkologischen Patientinnen und Patienten. Weitere Geschichten haben wir hier im Menü für Sie verlinkt. Schauen Sie rein. Jede einzelne geht ans Herz!


„Ich bin mir selbst wichtig“ ist wie ein Mantra geworden

Sevgi Ö., 47 Jahre alt, alleinerziehende Mama von zwei Kindern

Ich dachte, ich hätte es überwunden. Ich dachte, ich hätte den Brustkrebs besiegt. Doch dann kamen diese Flecken. Sevgi Ö. ist sich selbst wichtig. Diesen Schritt hat sie vor allem während ihrer onkologischen Rehabilitation gelernt.

Der Schock: erneute Metastasen

Vor fünf Jahren erkrankte Sevgi Ö. an Brustkrebs. Mit Strahlentherapie konnte sie ihn bekämpfen. Das dachte sie zumindest. Zu allen regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen bei ihrer Frauenärztin ist sie gegangen. Nie wurde etwas entdeckt. Der Funke Hoffnung, den Krebs besiegt zu haben, war da. Doch dann kam alles anders. Es begann vergangenen Jahres mit Schmerzen im Brustbereich. Lachen oder Husten wurden zu schmerzlichen Erfahrungen. Es folgte eine Odysse von Arzt zu Arzt. Nach mehreren CTs dann die Diagnose: der Brustkrebs hat Metastasen gebildet. Fernmetastasen in anderen Organen. Mittlerweile war die Leber, der linke Hüftknochen und die Wirbelsäule mit bis zu 4 Zentimeter großen Stellen betroffen. „Ich war schockiert von der Diagnose – ach was rede ich, ich war mehr als schockiert. Ich war fassungslos.“ Noch in Schockstarre und unter Tränen hörte Sevgi Ö. ihrem Radiologen tapfer zu. Sachlich und ohne Empathie erklärte er das weitere Vorgehen der Strahlentherapie, gepaart mit einer Chemotherapie. Chemotherapie? Bei Sevgi Ö. klingelten alle Alarmglocken. „Nein, bitte alles, nur keine Chemo“. Die Gedanken an die Nebenwirkungen erschütterten die gelernte Friseurin und gegen das Gedankenkarussell kam sie nicht an: verliere ich jetzt alle meine Haare? was passiert mit meinen Kindern? wie stemme ich das finanziell? warum eine zweite Runde? ich hatte den Krebs doch besiegt?

Der Anker in dunklen Zeiten

Diese zweite Runde der Krebstherapie war eine Qual. Doch Sevgi Ö. ist tapfer und meisterte die Strahlentherapie erneut. Diesmal zusammen mit einer Chemotherapie. Es gab Tage, an denen sich Sevgi Ö. oft fragte, wie das zu schaffen ist. Es gab Stunden, in denen sie einfach nur weinte. Die Tränen mussten raus. Doch dann gab es Momente, in denen der Schmerz, die Angst und die Traurigkeit für einen kurzen Augenblick vergessen waren. Diese Momente waren gefüllt von Liebe, Führsorge und Zuversicht, die ihr entgegengebracht wurde. Die Zeit mit den Liebsten. Ihre Kinder, ihre Eltern, ihre Geschwister und ihre Freundinnen waren und sind es bis jetzt – der Anker in ihrem Leben. Die Nachwirkungen der Therapien stimmten Sevgi Ö. oft traurig, sogar ein wenig depressiv. Depressionen waren für Sevgi Ö. Neuland. „Wer bin ich geworden?“ Sevgi Ö. erkannte sich kaum wieder. Wo war die rheinländische Frohnatur? „In dieser Zeit wollte ich keinen sehen, keinen hören. Ich fühlte mich so unglaublich schuldig meinen Kindern gegenüber. Mir kam es vor, als hätten wir die Rollen vertauscht. Nicht ich habe für meine Kinder gesorgt, sondern sie sorgten für mich.“ Muss eine Mutter nicht Stärke beweisen? Eine Mutter darf nicht schwach sein! Da fing es wieder an, dieses Gedankenkarussell.

Die anschließende onkologische Reha in der Paracelsus Klinik am See

Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit gehörten zum Leben von Sevgi Ö. Mit 10 Kilo weniger auf den Rippen fühlte sie sich auch körperlich sehr geschwächt. In einem schwierigen Gemütszustand trat Sevgi Ö. ihre Reha in der Paracelsus Klinik am See in Bad Gandersheim an. Zwei Wochen Reha waren geprägt von Tränen. Wie viele Tränen kann ein Mensch eigentlich vergießen? „Zuerst dachte ich, es sei Heimweh, aber später merkte ich, dass ich einfach nur Päckchen schulterte, gefüllt mit Ängsten, Sorgen, Schuldgefühlen und vielen schlechten Erinnerungen an früher – und davon trug ich ganz schön viele mit mir rum.“ Sevgi Ö. hat all ihren Mut zusammengenommen und gekämpft. Sie hat an sich gearbeitet und nicht aufgegeben. Der Optimismus hat sich am Ende ausgezahlt. Dank der Reha, den Fachkräften vor Ort und dem Austausch vieler Mitpatienten konnte sie ihr Selbstwertgefühl steigern. „Ich kehre als mutige und starke Frau in meinen Alltag zurück und blicke positiv in die Zukunft und auf das, was das Leben noch für mich bereithält.“

Das Leben auskosten

Sevgi Ö. weiß, das Leben wertzuschätzen. Der Krebs hat ihr es nur zu deutlich vor Augen gehalten. Sie ist dankbar für den starken Zusammenhalt ihrer Familie und ihren Liebsten. „Auch, wenn man mich manchmal direkt vom Sofa holen musste, weiß ich, dass meine Freunde das gerne für mich getan haben“, berichtet Sevgi Ö. lächelnd. Vor allem in der Reha hat Sevgi Ö. sich und ihren Körper besser kennengerlernt. Sie weiß jetzt, wie wichtig es ist, zu sich selbst zu stehen und den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen Raum zu geben. „Ich bin mir selbst wichtig.“ Diese Aussage hat Sevgi Ö. verinnerlicht. Wie ein Mantra gibt es ihr Kraft und Mut, weiterzumachen und sich auf die positiven Aspekte im Leben zu fokussieren. „Die laufende Chemotherapie birgt zukünftig sicherlich noch die einen oder anderen schlechten Tage, aber ich habe gelernt, dass ich negative Stimmung am besten mit viel Optimismus und eigenen kleinen Aufmunterungen entgegne“, erklärt Sevgi Ö. „Mir helfen zum Beispiel hübsche Klamotten, Schminke oder Schmuck. Diese Dinge geben mir einen morgendlichen Motivationsschub.“ Manchmal sind es eben die kleinen Dinge. Und eines ist sicher: auf einen schlechten Tag folgt auch wieder ein guter Tag. Mit viel Energie und Stärke blickt Sevgi Ö. auf ihren weiteren Weg im Kampf gegen den Krebs und wer weiß, vielleicht kann Sie schon bald wieder für ein paar Stunden zurück in ihren Traumberuf oder die gewünschte Reise zusammen mit ihrer Tochter starten. „Und zum Glück sind auch alle Haare noch an Ort und Stelle“, verrät Sevgi Ö.

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