SehnSuchtblog
16. Mai 2022 

Erst Patient – jetzt Mitarbeiter in einer Klinik

“Süchtig nach Leben” – Jeder Weg in eine Abhängigkeit ist vielschichtig, facettenreich, sehr persönlich und individuell. Mit diesem SehnSuchtblog möchten wir die persönlichen Geschichten dahinter beleuchten, Suchttherapie-Möglichkeiten aufzeigen, bestärken, den Weg aus der Sucht zu gehen und Lebenslust versprühen. Denn: Das Leben ist schön, sogar wunderschön. Und zu schön, um es vom Suchtmittel beherrschen zu lassen.


Für eine zufriedene Abstinenz ist die berufliche Wiedereingliederung und eine berufliche Perspektive nicht unerheblich.

In Form externer Belastungserprobungen oder auch Praktika während der stationären Therapiezeit können neue berufliche Perspektiven geschaffen werden. Sie dienen der Stärkung des Selbstbewusstseins, aber auch der Feststellung der jeweiligen Leistungsfähigkeit sowie zur beruflichen Orientierung. Voraussetzung ist eine hohe Eigenmotivation für diese Belastungserprobung. Nicht jeder Patient ist dafür geeignet. Für die Zeit der Erprobung muss die Teilnahme an der Gruppentherapie in der Klinik gewährleistet sein. Wie im „echten“ Leben kümmert sich der Patienten zudem eigenverantwortlich um den Weg zum Arbeitgeber. Klassisch findet im Vorfeld ein Bewerbungsgespräch statt und ein Praktikumsvertrag wird aufgesetzt.

Im Vorfeld und vorbereitend auf ein Praktikum unter realistischen Arbeitsbedingungen finden im Klinikkontext ausführliche Beratungsgespräche durch den Sozialdienst und eine Befragung zur Arbeitsplatzsituation statt. Darauf folgen individuelle therapeutische Planungen sowie Bewerbungstrainings, damit neu gefasste berufliche Perspektiven bestmöglich gelingen können.

Zurück in den Beruf

Herr S., Patient in unseren Bad Essener Kliniken, hat im Rahmen seiner stationären Langzeittherapie eine externe Belastungserprobung wahrgenommen und avancierte zu einer Erfolgsgeschichte. Als examinierter Krankenpfleger war er bis zu seinem Therapiebeginn in der Gesundheits-Softwarebranche im Außendienst tätig. Kurz nach Beginn der stationären Therapie reifte in ihm der Wunsch: „Ich möchte wieder in meinem ursprünglichen Beruf Fuß fassen!“ Gesagt, getan. In Abstimmung mit seiner Therapeutin und dem Sozialdienst nahm Herr S. Kontakt zu einem regionalen Unternehmen auf – mit Erfolg! Parallel zur Entwöhnungsbehandlung absolvierte er ein vierwöchiges Praktikum im Pflegedienst einer Klinik. Auch für ihn galt die Bedingung: ein Mal pro Woche Teilnahme an der Gruppentherapie. Dafür arbeitete er in halben Schichten sowie am Wochenende. „Für mich war es eine bewusste Entscheidung hin zur Arbeit am und mit den Patienten. Für eine neu und alte beruflich Perspektive. Schließlich habe ich meine Therapie in einem bestehenden Arbeitsverhältnis angetreten“, erläutert Herr S.

Vollzeitstelle im Pflegedienst

Während seines Praktikums habe er mitbekommen, dass Stellen in der Klinik ausgeschrieben seien. Proaktiv trat er an die Pflegedienstleitung heran – ebenfalls mit Erfolg. Freudestrahlend sagt er: „Ich habe einen unbefristeten Arbeitsvertrag für eine Vollzeitstelle im Pflegedienst in der Tasche.“ Die Kündigung beim alten Arbeitgeber folgte und der Wohnortwechsel wurde vorbereitet. Alles parallel zur weiterlaufenden Langzeittherapie. Bei aller Euphorie musste Herr S. auch weiterhin seine Suchterkrankung im Blick behalten und gut auf sich aufpassen. Mit der Beantragung einer ambulanten Weiterbehandlung hatte er alle Weichen gestellt und eine Therapiegruppe direkt in Bad Essen gefunden.

Offener Umgang mit der Sucht

Mit Geschichten wie die von Herrn S. können Aussagen wie „Als Suchtkranker habe ich keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt“ entkräftet werden. Vielfach herrscht die Stimmung vor, sich besser nicht gegenüber seinem Arbeitgeber als Suchtkranker zu outen. Dabei wird jedoch völlig außer Acht gelassen, dass ein offener Umgang mit der eigenen Suchtgeschichte am Arbeitsplatz unterstützend und haltgebend wirken kann sowie neue Perspektiven schafft. Herr S. ist das beste Beispiel dafür!

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