5. November 2020 

Ausländische Pflegekräfte schneller anerkennen

  • Paracelsus begegnet dem Fachkräftemangel auch mit Anwerbungen im Ausland
  • Lange Anerkennungsverfahren verzögern den Einsatz
  • Klinikkette fordert schnellere Visaverfahren und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse

Ausländische Pflegekräfte – sie sind kein Allheilmittel, aber sie könnten ein Baustein sein, um den Pflegenotstand hierzulande zu lindern. Vor allen Dingen könnten ausländische Pflegekräfte, die bereits jetzt schon in Deutschland arbeiten, die steigende Arbeitsbelastung angesichts der zweiten Pandemiewelle mit ihren rasant steigenden Infektionszahlen ein wenig abschwächen.

Um dem leergefegten Arbeitsmarkt und dem Pflegenotstand entgegenzuwirken, suchen bundesweit aufgestellte Klinikgruppen wie Paracelsus bereits seit längerem intensiv auch im Ausland nach qualifizierten Mitarbeitern. „Aber der Weg nach Deutschland ist mit großen bürokratischen Hürden verbunden“, berichtet Martin Schlie, Personalchef bei Paracelsus. „Wir können im Moment nicht abschätzen, wie lange die einzelnen Bewerber brauchen. Da gibt es große zeitliche Schwankungen bei den Visa- und Anerkennungsverfahren, das unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland, manchmal sogar innerhalb einer Behörde.“

Bundesweit einheitliche Kriterien würden helfen

Bis zu 18 Monate kann es nach Erfahrungen von Paracelsus dauern, bevor ein neuer Mitarbeiter aus dem Ausland tatsächlich als vollwertige Pflegefachkraft arbeiten darf. „Wir brauchen beschleunigte Verfahren, Planungssicherheit und transparente, objektive bundesweite Kriterien für die kurzfristige Anerkennung von Berufsabschlüssen“, erklärt Dr. med. Dr. jur. Martin F. Siebert, Vorsitzender der Geschäftsführung von Paracelsus. „Wir könnten wesentlich schneller weitere Fachkräfte einstellen, wenn wir nicht mit langwierigen Visa- und Anerkennungsverfahren zu kämpfen hätten.“

Derzeit bemüht sich das Unternehmen über Recruiting-Agenturen europaweit um neue Mitarbeiter vor allem in der Pflege. Rund 70 Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland haben in den vergangenen zwei Jahren den Weg zu Paracelsus gefunden. Sie kommen überwiegend vom Balkan, aus Serbien, Montenegro oder Mazedonien, aber auch aus Mexiko, Kolumbien oder von den Philippinen. Allein im Oktober kamen zwölf neue Pflegekräfte von den Philippinen, acht aus Mexiko und Kolumbien. 27 weitere neue Mitarbeiter warten noch darauf, nach Deutschland kommen zu dürfen.

Visa-Vergabe ist hohe Hürde

Erste Voraussetzung dafür ist ein fester Arbeitsvertrag. Den gibt es bei Paracelsus bereits nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch. „Wir führen die Gespräche per Videokonferenz, sind aber auch schon nach Ägypten geflogen“, berichtet Martin Schlie. Hat es mit dem Arbeitsvertrag geklappt, heißt es warten. Bis zu sechs Monate kann die Ausstellung eines deutschen Visums dauern. Teilweise dauert es schon sehr lange, überhaupt einen Termin für die Abgabe der Visumanträge bei der Deutschen Botschaft im Ausland zu bekommen. „Das ist ein hausgemachtes Problem. Hier könnte das Verfahren mit genügend Personalkapazitäten aus unserer Sicht deutlich beschleunigt werden“, erklärt dazu CEO Dr. Siebert.

Langwierige berufliche Anerkennung bremst Arbeitseinsatz

Weitere Voraussetzungen für die Arbeit in Deutschland sind ein Sprachzertifikat der Stufe „B2“, das zumeist schon in einem mehrmonatigen Kurs im Ausland erworben wird, und eine anerkannte berufliche Qualifikation. Denn nur mit ihr kann die Fachkraft aus einem Nicht-EU-Land einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung bekommen. Dafür müssen – zumeist schon im Ausland – alle Arbeits- und Ausbildungsnachweise des Bewerbers übersetzt und beglaubigt eingereicht werden. In Deutschland folgt dann ein persönliches Gespräch beim Landesverwaltungsamt, das für die Gleichwertigkeitsprüfung zuständig ist. Wer dort nicht besteht, muss einen Anpassungslehrgang bzw. eine Kenntnisprüfung absolvieren. Das kann 4 bis 18 Monate dauern. „Unsere ausländischen Kollegen haben oft Abschlüsse, die keine Grundkrankenpflege, sondern nur Fachpflege beinhalten. Die Grundpflege übernehmen dort Familie oder Hilfskräfte. Darum müssen sie bei uns die Grund- und Regelpflege dazulernen“, erklärt Martin Schlie. Dabei verfügen die ausgebildeten Pflegekräfte meist bereits über mehrjährige Berufserfahrung, viele haben einen Bachelor- oder Masterabschluss und sind hoch motiviert. „Wir wehren uns nicht gegen eine Prüfung der beruflichen Qualifikation“, erklärt dazu CEO Dr. Siebert. „Es kann nur nicht sein, dass eine dringend benötigte Fachkraft bis zu einem Jahr bei uns als ‚Gesundheits- und Krankenpfleger in Anerkennung‘ im Betrieb mitlaufen muss statt nach Kurz-Prüfung des tatsächlichen Könnens durch die Klinik vor Ort sofort voll mitarbeiten zu können. Das ist schlichtweg Verschwendung wertvoller Ressourcen.“

Nicht jeder bleibt

Den Vorwurf, dass dieses Vorgehen wenig qualifiziertem Personal Tür und Tor öffnen würde, entkräften die strengen Einstellungskriterien von Paracelsus. „Jeder neue Mitarbeiter hat bei uns die gleiche Probezeit von sechs Monaten“, erklärt Martin Schlie. „Wir führen den Arbeitsvertrag erst weiter, wenn sie als bestanden gilt.“ Das ist nicht immer der Fall. So blieben von den 21 neuen Beschäftigten aus dem Balkan, die 2019 zu Paracelsus kamen, letztendlich nur 16 in Deutschland. Persönlich Gründe, aber auch Frust über das lange Anerkennungsverfahren führten zum Abbruch. Aber auch Paracelsus konnte einige Mitarbeiter wegen mangelnder fachlicher und sprachlicher Kenntnisse nicht halten „Wir haben selbst hohe Ansprüche und achten stark darauf, wer gut vorbereitet ist, fachlich und menschlich wirklich in ein Team passt“, erklärt Martin Schlie. „Da sind wir selbst die besten Prüfer.“

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