Umfrage der BAR bestätigt Ausnahmestellung behandelnder Kliniken und zeigt ein Bild der bestehenden Versorgungslücke / Paracelsus Kliniken reagieren frühzeitig auf Behandlungsbedarf / Erweiterte Reha-Möglichkeiten und Ausbau ambulanter Nachsorge gefordert
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Wortfindungsprobleme, Antriebslosigkeit, Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen: Das Long Covid-Phänomen, über das geschätzte 10 bis 15 Prozent der „genesenen” Patienten auch noch länger als 4 Wochen nach Genesung klagen, bleibt auch im dritten Jahr der Pandemie in den Händen weniger spezialisierter Kliniken. Das bestätigen jetzt die Ergebnisse einer Umfrage*, die die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) im September durchgeführt hat. Für die Befragung, die erste Einblicke in die rehabilitative Versorgungslage von Long Covid-Patientinnen und -Patienten ermöglicht, wurden 1.080 bei der BAR gelistete ausschließlich stationäre medizinische Reha-Einrichtungen angeschrieben. Zusätzlich wurden Verbände der Leistungserbringer auf die Befragung aufmerksam gemacht.
Nur jede sechste Reha-Klinik behandelt Long Covid
Die Ergebnisse der Studie zeigen das Bild einer erheblichen Versorgungslücke: Insgesamt gingen bei der BAR 524 Antworten ein, von denen 338 auswertbar waren. Das entspricht ungefähr einem Drittel der beim Statistischen Bundesamt (destatis) gelisteten 1.112 Reha- und Vorsorgeeinrichtungen. Von diesen gaben 173 Einrichtungen (51%) an, Rehabilitationsmaßnahmen für Patienten mit einer Long Covid-(Zusatz-)Diagnose anzubieten – mithin real nur jede Sechste (rund 17 Prozent) der deutschen Reha- und Vorsorgeeinrichtungen insgesamt. In ihnen wurden bis zum Zeitpunkt der Befragung – nach zum Teil geschätzten Angaben – 11.948 Long Covid-Rehabilitanden behandelt. „Stellt man diese Zahl den aktuell 9 Millionen Menschen in Deutschland gegenüber, die mit Corona infiziert waren oder sind und von denen nach Schätzungen etwa zehn Prozent mit Corona Langzeitfolgen zu kämpfen haben, erkennt man eine eklatante Versorgungslücke in der Rehabilitation”, stellt Tobias Brockmann, Geschäftsführer Rehabilitation der Paracelsus Kliniken, fest.
Keine Zulassung, keine Kapazitäten, kein Konzept
Mehr als zehn Prozent der befragten Kliniken registrierten zusätzlich Kapazitätsengpässe in der Versorgung von Long Covid-Patientinnen und -Patienten an und gaben an, dass Plätze für andere Reha-Angebote reduziert werden mussten und dass sich die Wartezeit auf einen Reha-Platz insgesamt verlängert habe. Die häufigsten Gründe dafür, dass keine Reha für Menschen mit Long Covid angeboten wurde, waren fehlende Zulassungen (58,8%) und fehlende Behandlungskonzepte für Long Covid-Erkrankungen (48,5%). Bei den weiteren Gründen gaben 22 (13,3%) Einrichtungen an, dass Long Covid-Erkrankungen nicht in das Fachgebiet der Einrichtung passen und daher keine entsprechenden Reha-Angebote bestehen.
Paracelsus Harzklinik Bad Suderode reagiert frühzeitig auf Long Covid
Die Paracelsus Kliniken haben in ihren Reha-Einrichtungen frühzeitig auf das Phänomen Long Covid reagiert. Bestes Beispiel dafür ist die Paracelsus Harzklinik Bad Suderode. Die Klinik gehörte Anfang des Jahres 2021 zu den wenigen somatischen Rehakliniken in Deutschland, die sich frühzeitig auf die interdisziplinäre Anschlussheilbehandlung von Covid-19-Erkrankten eingestellt hatten. Schon damals wurden an der Rehabilitationsklinik, die sich unter anderem auf Atemwegserkrankungen spezialisiert hat, Zustände diagnostiziert, die von Viruserkrankungen so bisher nicht bekannt waren. „Wir haben hier ein Jahr lang fast täglich medizinisches Neuland betreten”, erklärt Dr. med. Stefan Schwarz, Chefarzt der Pneumologie in Bad Suderode. Besonders häufig beobachteten die Mediziner auch neurologische und kognitive Ausfälle mit Langzeitfolgen. Mittlerweile hat die Klinik ihr Therapiespektrum Stück für Stück erweitert und ein differenziertes Konzept entwickelt.
Ausbau dringend erforderlich
„Wir wissen heute, dass gerade wegen der Langzeitfolgen die Behandlung nach der Reha nicht aufhören darf”, erklärt Dr. Schwarz. Die Klinik hat darum einen intensiven Kontakt zu den Berufsgenossenschaften zur weiterführenden Versorgung ihrer Patienten aufgebaut. Alle zwei Wochen trifft man sich in Bad Suderode mit den Reha-Managern der BGW Magdeburg und Dresden sowie der Unfallkassen und überlegt, welche ambulanten Maßnahmen für welchen Patienten nach der Reha erforderlich sind. Darüber hinaus plädieren Dr. Schwarz und führende Reha-Mediziner von Paracelsus für den dringenden Ausbau ambulanter Nachsorgestrukturen und erweiterter Möglichkeiten der Rehabilitation, um die Versorgungslücke zu schließen und die Folgen von Covid-19 nachhaltig medizinisch in den Griff bekommen zu können. So sind in der Paracelsus Harzklinik Bad Suderode zum Beispiel derzeit bereits Vorträge und Gesprächsrunden unter Einbeziehung einer Betroffenen mit dem perspektivischen Ziel der Gründung einer Selbsthilfegruppe in der aktiven Planungsphase.
*Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR). Bestandsaufnahme zu Long COVID in der medizinischen Rehabilitation: Ergebnisse einer quantitativen Befragung, 2021. Online-Publikation. Frankfurt/Main, Oktober 2021.