„Ich hab noch Leben“ – Mit diesem authentischen Blog zum Thema Krebs, teilweise von Patientinnen und Patienten selbst aufgeschrieben, möchten wir Mut machen und verschiedene Wege zurück ins Leben aufzeigen. Denn eines haben wir von den Betroffenen gelernt: Das Leben ist immer lebenswert.
Diese Geschichte ist eine von vielen unserer onkologischen Patientinnen und Patienten. Weitere Geschichten haben wir hier im Menü für Sie verlinkt. Schauen Sie rein. Jede einzelne geht ans Herz!
Die beste Freundin
Die Patientin möchte anonym bleiben
„Das ist nichts Gutes“, sagte mir meine Ärztin. Brustkrebs – irgendwie kam es mir dann aber nur folgerichtig vor, dass ich das jetzt durchzustehen habe. Ich habe nicht ein einziges Mal gefragt, warum es ausgerechnet mich trifft. Ich war der Meinung, dass ich wohl irgendwie selbst schuld war. Ich hatte in der Vergangenheit oft mit dem Leben gehadert, ohne wirklich einen Grund zu haben. Ich habe einen tollen Mann und einen Sohn, der uns stolz macht. Mein Beruf ist vielseitig und auch noch gut bezahlt. Wir haben ein schönes Haus mit einem tollen Garten. Und doch fühlte ich mich permanent getrieben, setzte mich dauernd unter Stress und konnte nur kurze Zeit den guten Ratschlägen und meinen Vorsätzen, kürzer zu treten, folgen. Alles musste immer perfekt sein. Gelang mir etwas nicht, war ich betrübt. Am schlimmsten aber, war immer die Angst, etwas zu verlieren oder allein zu sein.
Letzte Maßnahme: Anschlussrehabilitation
Vor einiger Zeit war eine Freundschaft kaputt gegangen, ohne, dass ich wusste warum. Plötzlich wurde ich ausgeschlossen. Ich war mir keiner Schuld bewusst und habe auch bis heute nicht erfahren, was wirklich passiert ist. Das hat mich zutiefst verletzt. Für mich bedeutete dies, zunächst niemanden mehr an mich heranzulassen. Dabei habe ich immer von der sogenannten besten Freundin geträumt. Kurz und gut – ich fügte mich den Anweisungen der Ärzte und machte alles, wie es von mir verlangt wurde, denn eines wollte ich wirklich – leben! Die OP verlief gut und auch die anschließende Bestrahlung verkraftete ich gut. Die letzte Maßnahme sollte nun die Anschlussrehabilitationsmaßnahme sein.
Ich wollte da nicht hin. Was sollte ich dort auch unter lauter kranken Menschen! Kennenlernen wollte ich sowieso niemanden und erholen könnte ich mich auch zu Hause. Ich bin dann doch nach Bad Elster aufgebrochen mit ziemlich viel Wut im Bauch und vor allem hatte ich ein ganzes Stück meiner Unbeschwertheit verloren. Sollten die in Bad Elster doch sehen, wie sie das wieder hinbiegen.
Angekommen in Bad Elster
Tja und nun sage ich, es lief vom ersten Tag an genau richtig. Nicht nur, dass Ärzte, Schwestern und Therapeuten der Paracelsus Klinik alles geben, was in ihrer Macht steht, um für das Wohlbefinden der Patienten zu sorgen, nein schon nach wenigen Tagen lernte ich Bea kennen.
Wir saßen gemeinsam am Mittagstisch und plauderten über unsere Familien. Als ich erwähnte, dass ich gern Oma werden will und mein Sohn schon fast 30 ist, staunte Bea Bauklötzer. Irgendwie tat mir das gut. Das nächste Mal trafen wir uns beim Terraintraining und von da an immer öfter.
Obwohl Bea sehr viel jünger als ich war, waren wir sehr schnell vertraut. Irgendwie bewirkte das gemeinsame Schicksal, dass wir sofort sehr offen miteinander umgingen. Bea war sehr viel schlimmer dran als ich und doch viel mutiger. Wir haben so unendlich viel gelacht, aber auch gemeinsam geweint. Es gab nichts, was wir nicht besprechen konnten, und zwar ganz ohne Schnörkel und Blümchen. Es war tatsächlich der Beginn einer sehr außergewöhnlichen tiefen Freundschaft.
Der Abschied nach drei Wochen war sehr schwer, aber wir hielten Kontakt. Während es mir gesundheitlich immer besser ging, stellten sich bei Bea immer wieder Probleme ein. Manchmal war sie darüber wütend und manchmal wollte sie nicht mehr, aber die meiste Zeit, nahm sie ihr Schicksal an und war unheimlich stark. In all ihren Krisen hatte sie doch immer die Kraft, die Zeit und den Willen, für andere da zu sein. Sie lehrte mich Demut.
Ein wertvolles Geschenk durch die Krankheit
Was mich auch bewegte, ich konnte mit ihr darüber reden. Und diese 20 Jahre jüngere Frau hat mir doch tatsächlich ab und an gehörig den Kopf gewaschen. Ich habe durch Bea gelernt, gelassen zu sein. Sie hat mir gezeigt, dass es immer wieder lohnende Begegnungen im Leben geben wird.
Kurz – ich hatte eine beste Freundin gefunden.
Wir vertrauten uns alles an, was man sich so als Freundinnen anvertraut. Und das Verrückte ist, ohne unsere Krankheit, hätten wir beide dieses so wertvolle Geschenk nicht erhalten. Ich verarbeite auch viele Dinge in Gedichten und habe auch das ein oder andere für Bea geschrieben, um ihr Mut zu machen, sie zu trösten oder aber auch um Auf Wiedersehen zu sagen. Bei einem ihrer Besuche bei mir, habe ich ihr einige meiner Gedichte, auch aus früheren Zeiten gezeigt und sie hat mich von da an immer wieder gedrängt, meine „Werke“ zu veröffentlichen. Ich selbst hielt die Gedichte nicht für gut genug, um sie einer Öffentlichkeit zu zeigen. Bea konnte aber sehr hartnäckig sein, wenn sie etwas wollte.
Niemals aufgeben!
Das hat sie übrigens auch nie aufgegeben. Auch wenn Bea den Krebs nicht besiegen konnte und gestorben ist, so hat sie bis zum Schluss alles so gemacht, wie sie es wollte. Sie hat allen Angehörigen und Freunden gezeigt, dass es nicht darauf ankommt, wie lange man lebt, sondern wie wir die Zeit, die wir haben, ausfüllen. Für uns und unsere Freundschaft trifft dies wohl besonders zu. Es waren nicht ganz zwei Jahre, die aber so ehrlich, intensiv und schön waren, dass sie für ein ganzes Leben halten werden. Ich hatte das große Privileg, mich persönlich von Bea zu verabschieden. Noch in ihrem Bett auf der Palliativstation in Würzburg hat sie Scherze gemacht und als ich mich verabschiedet habe, hat sie gelächelt – so, wie nur Bea lächeln konnte. Bea schlief an dem Tag, an dem sie es wollte, friedlich ein.
Ihre geliebte Schwester war bei ihr und so konnte sie in Ruhe loslassen.
Anfang August habe ich das erste Mal vor einem kleinen Publikum meine Gedichte gelesen…