„Ich hab noch Leben“ – Mit diesem authentischen Blog zum Thema Krebs, teilweise von Patientinnen und Patienten selbst aufgeschrieben, möchten wir Mut machen und verschiedene Wege zurück ins Leben aufzeigen. Denn eines haben wir von den Betroffenen gelernt: Das Leben ist immer lebenswert.
Diese Geschichte ist eine von vielen unserer onkologischen Patientinnen und Patienten. Weitere Geschichten haben wir hier im Menü für Sie verlinkt. Schauen Sie rein. Jede einzelne geht ans Herz!
Matze, 31 Jahre alt, Schilddrüsenkrebs
Mit Tischtennisbällen kennt er sich aus. Auch mit großen Zysten, vor Jahren hatte er eine am Kinn. Als die Schwellung am Hals im Mai dieses Jahres aber die Größe eines Tennisballes hat, reicht es ihm. Mathias Bohne, genannt Matze, aus Falkenstein in der Nähe von Plauen geht ins Krankenhaus, um die Beule entfernen zu lassen. Ein paar Tage später klingelt es an seiner Tür. Vormittags. Herein kommen seine Eltern, beide blass um die Nase, traurig sehen sie aus. Seine Mutter ist Anästhesistin in dem Krankenhaus. So hat sie es zuerst erfahren: ihr Sohn hat Schilddrüsenkrebs. Mit 31 Jahren, von jetzt auf gleich. Eine Krebserkrankung, die man so jung und auch nicht einfach so bekommt. Mathias: „Erblich ist sie nicht, Strahlungen wie z.B. in Tschernobyl war ich auch nie ausgesetzt. Also Schicksal.“ Ja, Schicksal: zwei Tage braucht er, um die Nachricht zu verdauen, zwei sehr traurige Tage, so sagt er. Dann hat er, gemeinsam mit seinen Eltern, mit seinem jüngeren Bruder, seiner tollen und starken Familie, einen Plan. Und er packt es an. Matze-Gleich. Mit Ruhe, mit Gelassenheit und auch mit einer großen Portion schwarzen Humors.
Kurz nach Pfingsten die OP in Zwickau. Fast 5 Stunden lang dauert sie. Mathias Bohne kommt zunächst auf die Intensivstation: Beide Stimmbänder sind gelähmt. 24 Stunden später schwingt eines wieder frei, so dass er auf die Normalstation verlegt werden kann. Eine Woche bleibt er im Krankenhaus, dann zieht er erst einmal zu seinen Eltern. Das zweite Stimmband funktioniert lange nicht. Matze gibt’s jetzt nur mit leiser Stimme, kratziger und heiser. Eine Logopädin hilft ein wenig, langsam kommt die Stimme wieder in Fahrt. Anfang Juli rückt Mathias aber erstmal in die Uniklinik Jena ein. Ganzkörperscans – 2 Tage lang wird er untersucht – zeigen: Der Krebs hat nicht gestreut! Deshalb darf er in den „Knast“. So nennt er mit Humor die Tage auf der Isolierstation in der Klinik für Nuklearmedizin. Vom 2. bis 5. Juli wird er mit der Radiojodtherapie behandelt: Dabei werden die Schilddrüsenzellen mit Kapseln, also von innen mit dem bei radioaktivem Zerfall von Jod-131 entstehender Betastrahlung bestrahlt. Von Freitag bis Montag ist er allein, nur die Pflegekräfte sieht er. Nix darf er in das Zimmer mitbringen, wenn ein Buch, dann ist klar, dass es nachher weggeschmissen werden muss. Schlimm findet er das nicht, er ist schmerzfrei, hat gute Aussichten, nur langweilig ist es. Mit Fernsehen, Schlafen und An-die-Wand-Starren schlägt er die Zeit tot. Und? Es lohnt sich! Mehr denn je. Denn nachher ist plötzlich seine Stimme wieder da! Damit hat keiner gerechnet. Die Therapie war dafür da, dass er Krebszellenfreier denn je ist. Das hat geklappt, die Stimme oben drauf, das ist gut.
Gut ist auch, dass die Sozialarbeiterin in Jena ihm die Reha in Bad Elster empfiehlt. Am 4. August ging´s los, Matze bezieht sein Zimmer in der onkologischen Rehaklinik. Er freut sich darauf, das Programm für „junge Erwachsene“ liest sich gut. Mit Sport, Therapie und Ernährung. Drei Tage braucht er, um sich einzuruckeln. Denn er ist und bleibt der Jüngste. Er nimmt es an, Matze-like, macht seins und fühlt sich sehr wohl. Mit viel Physiotherapie, Gymnastik, Krafttraining, Ultraschallbehandlungen für seinen Schultergürtel, mit Einzel- und Gesprächstherapie und mit der guten Ernährungsberatung. Die Tipps und Kniffs rund ums Essen macht er sich schnell zu eigen, isst mehr Gemüse und Obst, gewöhnt sich einen regelmäßigen Rhythmus an, isst früher zu Mittag und weniger am Abend.
Neun Kilo verliert er während seiner dreiwöchigen Reha, seitdem weitere sechs Kilo. Sein leichteres Leben gefällt ihm gut. Er ist dankbar für die Zeit im sächsischen Vogtlandkreis. Sportlich war er vorher schon. Seit achtzehn Jahren schon ist er aktiv in seinem heimatlichen Tischtennisverein aktiv, als Spieler, als Nachwuchstrainer und Abteilungsleiter. Bad Elster hat ihn motiviert, weiter zu machen. Die Gesprächstherapieangebote – er fand sie ok – haben ihn dazu gebracht, im Alltag, im Verein, im Beruf auch mal Nein zu sagen. Stück für Stück übt er das in seinem Alltag.
Ein großes Lob spricht Mathias Bohne der Sozialberatung in Bad Elster aus. Sie haben ihn bestens informiert, wie es nach einer Krebsbehandlung im Job weiter geht – mit Schwerbehinderung, Übergangsgeld und Wiedereingliederung. Er hatte es nach der Reha eilig, wieder in der Firma in Klingental anzufangen. Seinen Job in der Produktion mag der studierte Chemiker gerne, seine Kollegen, die während der harten Zeit für ihn da waren, will er schnell wiedersehen. Und weil er sonst auch keine Beschwerden hat – im Gegenteil fühlt er sich nach der Reha leichter und fitter denn je – ist er ratzfatz wieder im Job. Erst 3 Stunden die Woche, dann 5, dann 6 und seit Mitte September auch wieder 8 Stunden. Ihm geht’s gut, er ist zufrieden. Und gesund. Bis auf die tägliche Tablette für die Schilddrüse und die Kontrollen erinnert im Moment wenig an seine Krankheit. Reha? Auf jeden Fall! Nur an dem Programm für „junge Erwachsene“ könnten die noch ein bisschen feilen, meint er augenzwickernd. Oder es bleibt halt die Ausnahme, dass es jemanden so früh erwischt wie ihn, sagt Matze.